Dissertationen

Vermögen, Verwandtschaft und Kredit – Niederösterreich, ca. 1700–1800

Matthias Donabaum, MPhil

Im frühneuzeitlichen Europa waren Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen wesentlich von ökonomischen Zusammenhängen geprägt. Familienmitglieder und Verwandte transferierten untereinander Vermögen, gewährten Kredite oder trugen zum Arbeitskräftebedarf von Höfen bei. Besitz wurde oft via Erbschaft oder Heirat weitergegeben, abhängig von Raum und Zeit noch häufiger als mittels Markttransaktionen. Einerseits strukturierten Verwandtschaftsbeziehungen so Vermögenstransfers und Kreditbeziehungen, andererseits diente Vermögen aber auch dazu, Verwandtschaftsräume („kinship spaces“) zu definieren. Erbschaft, Heirat und Hofübergaben erscheinen so als kritische Punkte im Lebens- und Familienzyklus, in denen Generationen- oder Geschlechterbeziehungen verhandelt und (re-)definiert wurden. Die konkreten Machtverhältnisse und Konfliktlinien, die sich so ergaben, hingen wesentlich von gesetzlichen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen ab, die lokal und regional zum Teil stark variieren konnten. Dies konnte weitreichende Konsequenzen für verschiedene Personengruppen, wie Töchter, Witwen oder jüngere Söhne, haben, aber etwa auch für Ausmaß und Formen von Ungleichheit in einer Gesellschaft.

Ziel der Dissertation ist es, das Zusammenspiel aus Verwandtschaft, Vermögenstransfers und Kreditbeziehungen im frühneuzeitlichen Niederösterreich zu untersuchen. Dadurch wird es möglich, gängige Narrative über die Entwicklung von kommerziellen Landmärkten, die gesellschaftlichen Funktionen von Kreditbeziehungen oder den Wandel von Verwandtschaftsbeziehungen im Zeitverlauf zu überprüfen. Methodisch wird dazu eine Kombination aus quantitativen Analysen von lokalen Land- und Kreditmärkten sowie von detaillierten Fallstudien einzelner Personen(-gruppen) auf der Mikroebene genutzt. Eine wichtige Rolle spielt auch der Vergleich von städtischen und ländlichen Gemeinden, der Aufschluss über unterschiedliche Logiken und Strategien für Erwerb, Verwaltung und Weitergabe von Vermögen in verschiedenen sozialen und ökonomischen Settings geben kann.

Als Quellenbasis kommt vielfältiges Verwaltungsmaterial zum Tragen, das Besitzverhältnisse, Vermögenstransfers, Kreditbeziehungen, Verwandtschaftsverhältnisse und Konfliktlagen dokumentiert. Dazu zählen unter anderem Grundbücher, Kauf- und Heiratsverträge, Hypothekenbücher, Testamente und Verlassenschaftsabhandlungen sowie Kirchenbücher. Durch die Verknüpfung von einzelnen Dokumenten auf der Basis von Personen oder Grundstücken können komplexe Konstellationen sichtbar gemacht und Prozesse im Zeitverlauf nachverfolgt werden. Damit werden Themenfelder der Forschungen zu Landmärkten und Besitzweitergabe, Kredit und Verwandtschaft zusammengeführt und in ihrem Zusammenspiel sichtbar gemacht.

e-Mail: matthias.donabaum@univie.ac.at  
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Betreuerin: Margareth Lanzinger