Das Forschungsinteresse des vorliegenden Dissertationsprojektes gilt jenen ‚unsichtbaren’, ‚unscheinbaren’ MigrantInnen in Wien, die nicht sofort durch ihren Phänotyp als ‚Ausländer’ zu erkennen sind, die über einen, dem österreichischen ähnlichen sozio-kulturellen Hintergrund verfügen und die zudem meist als ‚unproblematische’ Einwanderer wahrgenommen werden.
Diese MigrantInnen nehmen – im Gegensatz zu MigrantInnen deren Herkunftsländer sich hinsichtlich Kultur, Religion, Politik und Lebensstandard deutlich von Österreich unterscheiden – nicht nur im medialen und gesellschaftspolitischen Diskurs eine marginale Rolle ein, sie wurden auch von der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung bislang wenig beachtet. Eine umfassende Studie zu diesen Zuwanderern für Österreich als Einwanderungsland fehlt bislang völlig. In dieser ‚Forschungslücke’ setzt dieses Dissertationsprojekt an und befasst sich mit diesen ‚unsichtbaren’ MigrantInnen am Beispiel von spanischen, deutschen und skandinavischen MigrantInnen in Wien.
Als Ausgangshypothese dient dabei die Annahme, dass auch ‚feine Unterschiede’ hinsichtlich des nationalen und soziokulturellen Hintergrundes – vor allem auf einer mikrosozialen Ebene – durchaus gewichtige Unterschiede sind. Im Zentrum dieser Untersuchung steht so die zunächst völlig offene Frage, wie im Zuge der Migration dieser Menschen die Veränderung, Anpassung und Bewältigung der Lebensumstände, der Lebensweise und Lebensführung erlebt, praktiziert und erfahren (reflektiert und gedeutet) wird. Das Forschungsinteresse gilt somit den durch Mobilität und Migration geformten ‚Hybridkulturen der feinen Unterschiede’ – ihren Formen, Chancen, Schwierigkeiten und Bedeutungen.
Zugleich befasst sich dieses Forschungsprojekt nicht allein mit der gegenwärtigen Situation, sondern erfasst, mit einem Untersuchungszeitraum von den 1960ern bis zur Gegenwart, auch eine historische Dimension.
Als primäre Quelle dieser empirisch-qualitativen Studie dienen thematisch fokussierte narrative Interviews. Um den Untersuchungszeitraum von den 1960er Jahren bis zur Gegenwart erfassen zu können, werden Interviews mit MigrantInnen geführt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Wien zugewandert sind (1960er/1970er; 1980er/1990er; 2000er/2010er Jahren).
Ziel dieses Dissertationsprojektes ist es einerseits, einen Beitrag zur Aufarbeitung der beschriebenen Forschungslücke zu leisten und damit einen wesentlichen Beitrag zur geschichtswissenschaftlichen, aber auch zur aktuellen Migrations-Debatte. Gleichzeitig versteht sich diese Untersuchung als Beitrag zum Diskurs um Europa und die viel diskutierte ‚europäische Integration’, und nicht zuletzt als Beitrag zum Diskurs um Wien als pluri- und multikulturelle Stadt.
e-Mail: martina.nothnagel@gmail.com