Dissertations

Wiener Konsumkultur am Beispiel Bekleidung (ca. 1860 bis 1914)

Mag. Christina Linsboth

Das Dissertationsprojekt betrachtet Konsumieren in historischer Perspektive im Zeitraum zwischen der Einführung der Gewerbefreiheit 1859 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 im Untersuchungsraum Wien. Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts etablierten sich zunächst in den Großstädten Europas und der USA, später auch in kleineren Städten neue Formen des Detailhandels wie Warenhäuser, Magazine, Versandgeschäfte, Konsumgenossenschaften und Filialen. Zugleich vervielfältigte die (industrielle) Massenfer­tigung das Warenange­bot und verbilligte zahlreiche Konsumgüter, darunter Bekleidung, die nun auch als Konfektion erhältlich war. Leicht verbesserte Einkommens­verhältnisse steigerten zudem die Nachfrage nach den auf Plakaten, in Inseraten, in Geschäftslokalen, auf Gewerbeausstellungen und in Schaufens­tern präsentierten, inszenierten und angepriesenen Produkten. Für Frauen, insbesondere der Ober- und Mittelschichten, wurden Schauen, Flanieren und Shopping zu adäquaten Freizeitbeschäftigun­gen.

In Wien erlebte das Warenhaus als ein Prototyp neuer Distributions- und Konsum- formen einen vergleichsweise späten Aufschwung. Mit Wien wird somit, eingebettet in Arbeiten, die die Konsumgeschichte europäischer Metropolen wie Paris, London und Berlin ins Zentrum rückten (König 2009, Rappaport 2001, Tiersten 2001), die Konsum- kultur einer um 1900 kleingewerblich dominierten Großstadt untersucht. Ausgehend vom Begriff der Konsumkultur (König 2009) werden jene Auseinander-setzungen und Debatten erforscht, in denen sich Aussagen über (neue) Produktions-, Distribu- tions- und Konsumformen, Verkaufstechniken, Warenpräsentation, den „Wiener Geschmack“ und die Konsumentin bzw. den Konsumenten verdichteten. Der Fokus auf die Produktgruppe Bekleidung wurde gewählt, da die Konzentration auf ein ‚altes’ Konsumgut, das im Spannungsverhältnis zwischen Massenfertigung bzw. -verkauf und handwerklicher Produktion stand, lohnenswert scheint, um unterschiedliche Deutungen der Konsumkultur herausarbeiten zu können.

Neben den in Frauen- bzw. Mode- und in Fachzeit­schriften von Schneidern, Schuh- machern, Händlern und Konfektionären veröffentlichen Inseraten und redaktionellen Beiträgen werden im Dissertationsprojekt Plakate und gedruckte Quellen untersucht. Zu letztgenannten zählen Sitzungsberichte, Enqueten, Streitschriften und (populär-) wissenschaftliche Publikationen zu den Themen Detailhandel, Kleingewerbe, Reklame und Konsumverhalten. Dokumente der Wiener Gewerbebehörden, Haushalts- und Tagebücher sowie lebensge­schichtli­che Aufzeichnungen ergänzen das Quellenkorpus, das mit Methoden (historischer) Diskursanalysen untersucht wird.

e-Mail: christina.linsboth@univie.ac.at