Dissertations

Von der Masse zur Klasse - Eine alternative Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Méditerranée

Mag. Stephan Körner

Der westliche Mittelmeerraum gilt als eine der Schlüsselregionen, die für den entstehenden atlantischen Handel von besonderer Bedeutung waren. Dort setzte im Hoch- und Spätmittelalter ein ökonomischer Wandel ein, welcher nach neu erschließbaren Ressourcen verlangte. Europa scheint „im Spätmittelalter an den Grenzen des Machbaren mit den vorhandenen Mitteln angelangt zu sein.“ Der europäische Fernhandel, mit seinem Nervenzentrum Mittelmeer, soll sich seinem Maximum derart stark angenähert haben, dass er nach neuen Investitions-
möglichkeiten suchte. Bisherige Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigen, haben jedoch einen entscheidenden Punkt nicht berücksichtigt: wie nämlich erst die Interaktion zwischen Händlern unterschiedlicher Herkunft und kleineren port cities im westlichen Mittelmeerraum die ökonomische Grundlage für einen solchen Wandel schuf.

Der südwestliche Mittelmeerraum stellte bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert ein Netzwerk von Städten dar, das sich durch seine hohe Interkonnektivität auszeichnete. Die Erforschung dieses Handelsnetzwerkes soll im Rahmen dieses Dissertationsprojektes nun zahlreiche Städte (wie Marseille, Perpingnan, Narbonne, Montpellier, Mallorca, etc.) einbeziehen. Dieses Handelssystem, welches auf dem Austausch von regionalen Massengütern (wie Getreide, Fisch, Olivenöl, Holz, Wolle, Häuten und Metall)  in einem lokal begrenzten Raum basierte, schuf erst eine Kapitalakkumulation, die die Entstehung von Fernhandelsaktivitäten ermöglichte und ist demnach der Schlüssel zum Verständnis für das, was ich als eine „alternative Wirtschaftsgeschichte“ der Méditerranée vorstellen will. Denn dieses „okzitanische Handelssystem“ kann unter Anwendung der üblichen Erklärungsmodelle das Aufkommen von Fernhandelsbeziehungen im 13. Jahrhundert nicht restlos begründen. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes soll daher die Dominanz italienischer Händler (aus Venedig, Genua, Pisa) im Fernhandel kritisch hinterfragt werden und auf die Bedeutung der regionalen Binnenökonomien des westlichen Mittelmeerraumes verwiesen werden um den zunehmenden Güterverkehr von Prestige- und Luxuswaren zwischen der westlichen Méditerranée und der Levante zu erklären.

e-Mail: stephan.koerner@univie.ac.at