Dissertations

Industriestandorte im städtischen Produktionsmilieu in Wien vom 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert (Arbeitstitel)

Mag. Michael Hödl, BSc BA

Die Industriestadt und Metropole Wien erlebte vom 19. bis ins 20. Jahrhundert tiefgreifende ökonomische Veränderungen. Neben einer Umstrukturierung der Arbeitsorganisation, wo Handwerk, Arbeiterschaft und Unternehmertum sowohl in konkurrierenden als auch in kooperativen Austausch traten, kam es zu einer veränderten räumlichen Verteilung der Firmen und Werkstätten innerhalb des Stadtraumes. Dieser Strukturwandel war bisher über Industrie- und Gewerbestatistiken einsehbar, die vom Magistrat der Stadt Wien, der Handels- und Gewerbekammer Niederösterreichs und dem Statistischen Zentralamt der Monarchie publiziert wurden. In meiner Dissertation versuche ich einen neuen Ansatz zur Erforschung der Wiener Wirtschaftsgeschichte zu entwickeln, indem der Quellenkorpus darüber hinaus auf Individualdaten aus Adressbüchern und Gewerbelisten ausgeweitet wird. Dies soll Veränderungen des innerstädtischen Wirtschaftsgefüges auf Mikroebene nachvollziehbar machen und ein räumliches Verständnis für die wirtschaftliche Dynamik der Stadtindustrie während der Industrialisierung in Wien ermöglichen.

Ziel der Dissertation ist es, anhand von zwei Gewerbedatenbanken, die einerseits die Wiener Firmen und andererseits die wöchentlichen Gewerbeanmeldungen von 1880 bis 1934 beinhalten, typische Stadtindustrien, wie die Metallverarbeitung, die Bekleidungs-, die Textil- sowie die Holzindustrie, auf individuell-gewerblicher Ebene zu untersuchen und dabei ein Modell städtischer Industriestandorte zu entwickeln. Dafür wird auf Mikroebene eine Typologie für die Ansammlung von Betrieben ausgearbeitet und mittels einer point pattern analysis empirisch nachgewiesen. Damit wird die räumliche Dynamik der Gewerbe, d.h. die Ab- bzw. Zuwanderung bestimmter Industrien, die produktive Zusammenarbeit zwischen Klein-, Mittel- und Großbetrieben sowie damit einhergehende Konzentrationserscheinungen und -effekte, messbar gemacht und visualisiert.

Die Basis für die zwei Gewerbedatenbanken bilden das Adolph Lehmann’sche Adressbuch sowie die vom Magistrat der Stadt Wien veröffentlichten Gewerbeanmeldungen. Das Lehmann’sche Adressbuch ermöglicht die Erfassung der vom Handelsgericht protokollierten Firmen in eine Firmendatenbank, sodass der Standort der Mittel- bis Großbetriebe Wiens eingesehen und zeitlich-räumlich untersucht werden kann. Die Betrachtung der Gewerbeanmeldungen ermöglicht es zusätzlich, die Bewegung von Klein- und Mittelbetrieben nachzuvollziehen und in Relation zu der bestehenden Firmenstruktur zu setzen. Damit sollen durch beide Datenbanken gewerbliche Cluster innerhalb Wiens berechnet und die Relation zwischen Handwerk und Industrie – Kleinbetrieb und Firma – und die gegenseitigen Anziehungs- und Abstoßungseffekte nachweisbar werden. Damit will die Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Stadtwirtschaft leisten und über zuvor noch nicht berücksichtigtes Datenmaterial der Frage der inneren wirtschaftlich-räumlichen Organisation von Metropolen während der Industrialisierung und der Durchsetzung der kapitalistischen Marktwirtschaft nachgehen.

e-Mail: michael.hoedl@univie.ac.at 
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Betreuer: Clemens Jobst