Die Dissertation untersucht familiale- und verwandtschaftliche Strukturen innerhalb des Adels der Habsburgermonarchie im Zeitraum von 1500 bis 1800. Ausgangspunkt ist die vor allem von David W. Sabean und Simon Teuscher geprägte These, der zu Folge ausgehend vom Spätmittelalter und bis in die Frühe Neuzeit in Europa eine Transformation (transition) von verwandtschaftlicher Organisation im Zusammenhang mit Verstaatlichungsprozessen stattgefunden habe. Innerhalb dieses Prozesses der „Vertikalisierung von Verwandtschaft“ wären Ressourcen von Verwandtenverbänden über veränderte Erbpraktiken sowie über andere Formen intergenerationeller Besitztransfers tendenziell immer stärker auf einzelne männliche Individuen konzentriert worden. Damit einhergehend hätten sich vor allem in lokalen, regionalen und überregionalen Eliteschichten streng hierarchisierte und patrilinear flektierte Formen verwandtschaftlicher Organisation durchgesetzt.
Die Dissertation produziert eine regionale Fallstudie, in welcher aus einer Langzeitperspektive überprüft wird, ob sich ein solcher Prozess innerhalb des Adels der Länder Österreich unter der Enns und Österreich ob der Enns (heutiges Ober- und Niederösterreich) vollzog. Dabei werden die konkreten Ausgestaltungen von Erbpraktiken und ähnlichen Formen von Eigentumsübertragung erarbeitet sowie die Modalitäten ihrer Wandlungen über längere Zeiträume dargestellt. Über die Überprüfung der These einer „Verwandtschaftsvertikalisierung“ hinaus ist es ein Ziel der Arbeit, zu einem detaillierten und differenzierten Verständnis der Systematiken intergenerationeller Besitztransfers des Adels der Habsburgermonarchie zu gelangen. Schwerpunkte werden hierbei auf die Stellung adeliger Frauen, Verknüpfungen zwischen intergenerationellen Besitztransfers und politischen Strategien, auf demographische Zusammenhänge wie auch insbesondere auf Konkurrenzverhältnisse, Konflikte und Aushandlungsprozesse bei der Verteilung von familialen Besitz gelegt.
Zu diesem Zweck werden in meiner Dissertation auf der Makro- und Mikroebene operierende Methoden miteinander verbunden. Ein quantitativer Abschnitt wird vor allem anhand der Auswertung aus dem ständischen Steuerwesen hervorgegangener Quellen zu Übertragungen von Grundbesitz breitere Trends hinsichtlich der intergenerationellen Weitergabe der wichtigsten wirtschaftlichen Grundlage der Nobilität des frühneuzeitlichen Habsburgerreiches ermitteln. In einem zweiten, an der Mikroebene orientierten Abschnitt werden über die Analyse von Testamenten, Verlassenschaftsinventaren, Erbschafts- und Heiratsverträgen wie auch anderen relevanten Quellengattungen stärker die Gesamtheit wie auch die konkreten Modalitäten der intergenerationellen Besitztransfers eines breiten Spektrums von Angehörigen dreier Adelsgeschlechter rekonstruiert und innerhalb eines politikgeschichtlichen Kontextes analysiert. In diesem Zusammenhang sollen auch Konflikte und Aushandlungsprozesse sowie deren Rolle in adeligen Sukzessionssystemen erschlossen werden.
e-Mail: florian.andretsch@univie.ac.at
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Betreuerin: Margareth Lanzinger