Dissertations

Der Donauhandel oberdeutscher Reichsstädte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts

Mag. Andrea Barbara Serles

Den historischen Ländern Österreich ob und unter der Enns diente die Donau bis weit ins Eisenbahnzeitalter hinein als zentrale Verkehrsader. Einen maßgeblichen Anteil am Handelsaufkommen in den österreichischen Donauländern hatten die Kaufleute und Transporteure aus den oberdeutschen Reichsstädten Regensburg, Nürnberg, Ulm und Augsburg. Die Bürger aus diesen Wirtschaftszentren handelten sowohl mit Erzeugnissen aus reichsstädtischer Produktion als auch mit Fernhandelsgütern aller Art; außerdem spielten sie eine bedeutende Rolle für die Ausfuhr von Gütern, die einer der vier traditionellen Exportregionen entlang der österreichischen Donau entstammten: Wein aus Niederösterreich, Leinwand aus den nördlich der Donau gelegenen Gebieten Oberösterreichs, Salz aus dem Salzkammergut sowie Eisen, Stahl und Eisenprodukte aus der Eisenwurzen mit dem Zentrum Steyr.
Die unbestrittene Metropole der gesamten Donauregion war die Residenzstadt Wien, die vor allem ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen rasanten Aufstieg erlebte und sich immer mehr zu einer Konsumptionsstadt entwickelte. Im Gegensatz zu Wien war Linz mit seinen beiden Messen ein auf den Fernhandel ausgerichteter Marktort. Eine eigene Stellung hatte die Doppelstadt Krems-Stein an der Donau inne, da sie einerseits die Funktion eines Regionalmarktes für die Gebiete nördlich der Donau im Land unter der Enns hatte, andererseits aber auch eine nicht zu unterschätzende Position im Fernhandel einnahm, da durch den Wein ein exportfähiges Produkt selbst erzeugt wurde und Krems-Stein durch Privilegien für den Salz- und Eisenhandel den Transithandel in Richtung Nord-Osten monopolisieren konnte.
Bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts wurde in der Habsburgermonarchie auf verschiedenen Wegen versucht, die Staatsfinanzen zu sanieren und das Wirtschaftsleben zu fördern. Zu diesen Maßnahmen zählten die Gründung von Manufakturen, die Privilegierung von Handelskompanien sowie die Durchsetzung von Handelsbeschränkungen mit Hilfe einer protektionistischen Zollpolitik. Die damit angestrebte Effizienz- und vor allem Einnahmensteigerung bedeutete einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum modernen Staat. Unter Karl VI. (1711–1740) erreichte diese Form merkantilistischer Politik einen ersten Höhepunkt.
Im hier vorgestellten Dissertationsvorhaben soll untersucht werden, welchen Einfluss die zunehmende Abschottung der habsburgischen Länder (mit dem geographischen Schwerpunkt auf dem heutigen Ober- und Niederösterreich) auf den Handel und das Gewerbe der führenden oberdeutschen Reichsstädte hatte. Welche Gegenmaßnahmen wurden in den Stadträten und Vertretungen des Handelsstandes bzw. von einzelnen Handelshäusern und Kaufleuten erwogen und mit welchem Erfolg? Gab es Strategien Karls VI., die Dichotomie zwischen seinen Funktionen als österreichischer Landesfürst und kaiserlicher Stadtherr zu überwinden, oder wurde nur auf die Vorteile geachtet, die den habsburgischen Territorien auf Kosten der auswärtigen Konkurrenz – und damit auch auf Kosten der Reichsstädte – erwachsen sollten?
Neben den Beständen in den Stadtarchiven der ehemaligen Reichsstädte und jenen in den Wiener Archiven (v.a. „Hofkammerarchiv“ und „Haus-, Hof- und Staatsarchiv“) steht mit den „Aschacher Mautprotokollen“, die durch ein FWF-Projekt (vgl. https://www.univie.ac.at/donauhandel/) derzeit erschlossen werden, die aussagekräftigste erhaltene Quelle zum Donauhandel für quantitative und qualitative Analysen zur Verfügung.

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