Dissertationen

Die mittelalterlichen Töpfereistandorte von Tulln an der Donau, Niederösterreich. Die Organisation der Produktion anhand soziokultureller und wirtschaftlicher Strukturen

Mag. Sandra Sabeditsch

Im Rahmen des vom FWF geförderten Projektes „Raum und Sachkultur in der mittelalterlichen Stadt: Archäologische Forschung in Tulln“ beschäftigt sich meine Dissertation mit der Aufarbeitung von Funden und Befunden von drei Ausgrabungen aus Tulln. Die bereits in den 1970er Jahren begonnenen archäologischen Untersuchungen erbrachten bis dato wesentliche Erkenntnisse zur mittelalterlichen Stadtstruktur. Großgrabungsprojekte in den Jahren 2005 bis 2008 ermöglichten die Erforschung einer Fläche von rund 40.000 m². Auf der Basis dieser Grabungsergebnisse untersuche ich die Organisation der Produktion im mittelalterlichen Töpfereiviertel der Westvorstadt und die Keramikproduktion des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit in der inneren Stadt. Die Grabungsflächen der mittelalterlichen Westvorstadt lieferten insgesamt neun Ofenbefunde mit zahlreichen im nahen Umfeld dokumentierten Arbeits- und Abfallgruben. Durch die Schleifung der Vorstadt im Jahre 1465 scheint es zu einer Verlagerung der Produktion in den Bereich innerhalb der Stadtmauern zu kommen – dies zeigt vor allem der innerstädtische Befund eines während des Brandes verstürzten Ofens mit Brenngut in der Brennkammer. Einen wesentlichen Aspekt im Hinblick auf meine Fragestellung stellt die Aufnahme und Auswertung des zahlreichen keramischen Materials dar. Die bisherige deskriptive Keramikaufnahme soll durch die Analyse von Herstellungsspuren ergänzt werden. Ansätze aus dem Bereich der Material Culture Studies zeigen, dass bereits die Herstellung eines Objektes einer sozio-kulturellen Prägung unterliegt. Demnach werden einem Objekt bereits im Herstellungsprozess bestimmte Attribute übertragen. Der Herstellungsprozess besteht aus einer Folge von technischen Entscheidungen, welche im sozio-kulturellen Umfeld des Produzenten entstehen und von diesem beeinflusst werden. Die genaue Analyse der Herstellungstechnik mit Hilfe einer chaîne opératoire – einem detaillierten Handlungsablauf – macht es möglich, Rückschlüsse auf vergangene Handlungen zu ziehen. Das Erstellen einer chaîne opératoire und der Vergleich von darin enthaltenen Handlungsoptionen (technical choices = Momente, in denen der Hersteller unabhängig ist von physikalischen Eigenschaften des Materials und prozessbedingten Folgeschritten) soll Rückschlüsse auf die Hersteller bzw. die Organisation der Produktion liefern. Gleiche Handlungsoptionen etwa weisen auf dieselben Produzenten(gruppen) hin.

Ziel meiner Arbeit ist die Gewinnung neuer Erkenntnisse zum sozio-kulturellen Umfeld der Keramikhersteller im spätmittelalterlichen Tulln. Dazu soll die Analyse von Herstellungstechniken am keramischen Material als neuer Faktor mit einbezogen werden.

e-Mail: sandra.sabeditsch@univie.ac.at